Mit dem Zug durch Pakistan – Abenteuer mal anders

Juli 28, 2012 in Pakistan, Unterwegs

Mit dem Zug von Quetta nach Lahore, das sind ca. 1300 km, quer durch ganz Pakistan. 36 Stunden haben wir für diese Strecke gebraucht. 36 Stunden, die ein echtes Erlebnis waren, aber die wir, um ehrlich zu sein, nicht noch mal haben müssen – vor allem nicht bei der Hitze um diese Jahreszeit. Dabei hatten wir noch Glück: wir haben gehört, dass die Reise manchmal bis zu 50 Stunden dauern kann…..

Eigentlich wollten wir die Strecke ja selber mit den Motorrädern fahren. Da wir aber in Quetta das NOC, die Erlaubnis zur Weiterreise, wegen Sichheitsbedenken nicht bekommen haben (siehe unseren letzten Blog-Beitrag), mussten wir die Motorräder auf den Zug verladen und eben so nach Lahore reisen.

Das hatte als positiven Nebeneffekt zum einen, dass es natürlich ein spannendes Erlebnis ist, aber zum anderen auch, dass wir den Hinterreifen von Heike, der einen Riss hatte, schonen konnten. Und da wir beschlossen hatten, bei der Zugfahrt nicht zu sparen und daher die bessere Aircondition-Klasse gebucht hatten, auch den Vorteil, dass wir die extreme Hitze, die hier um diese Jahreszeit herrscht, vermeiden konnten – denn schliesslich ging die Route durch die heisseste Gegend Asiens. Na ja, wir dachten zumindest, dass wir der Hitze so entkomen könnten.

Das erste Abenteuer war überhaupt, die Motorräder in den winzigen Fracht-Wagon zu bekommen. Mit Hilfe mehrerer Träger haben wir es geschafft, sie über die gut 50 cm hoch in den Wagen zu wuchten, und die Motorräder dann dort verzurrt. Ringsrum wurden Reifen, Kisten mit Mangos, Kartons und Pakete aufgetürmt. Ohne Kratzer für die Motorräder ging das natürlich nicht ganz ab, aber grösseren Schaden gab es glücklicherweise nicht. Wobei Heike immer noch erhöhten Puls bekommt beim Gedanken an den hirnlosen Frachtoffizier, der mit wasserfestem Edding (!!!) auf den Zylinderdeckel von Filippos Motorrad den Zielbahnhof geschrieben hat. Bei Heikes Motorrad hat er es sich nach einem eisigen „You’re not gonna write on my motorcycle with that pen!“ nicht mehr getraut – besser für ihn.

Dann ging es daran, unsere Sitzplätze im Wagen zu suchen. Nachdem wir uns erst mal ein paar kleine Territorialkämpfe mit der Familie um uns herumgeliefert hatten, waren wir eigentlich ganz zufrieden mit dem Platz, den wir hatten. Die Klimaanlage lief nachdem wir angefahren waren, und die Temperaturen waren angenehm. Bis die Klimaanlage ausfiel – natürlich genau dann, als wir über eine Stunde in Sibi, dem angeblich heissesten Ort Asiens, bei um die 50° C auf eine neue Lokomotive warten mussten.

Und da haben wir dann auch den Nachteil der vermeintlich besseren Aircondition-Klasse erkannt. Man kann hier nämlich die Fenster nicht öffnen. Das war der Moment, wo wir die staubige Holzklasse, die wir zuvor noch wegen der offenen Fenster bemiteidet hatten, nun mit neidischem Blick betrachteten. Unsere Kleidung war komplett klatschnass geschwitzt, bis es endlich weiter ging und die Klimaanlage den Wagen wieder halbwegs gekühlt hatte.

Später funktionierte die Klimaanlage die meiste Zeit – aber doch immer wieder mit mehr oder weniger langen Unterberechungen. Erst am nächsten Tag, etwa 4 oder 5 Stunden vor Lahore, war der Strom wieder komplett weg. Der Grund: der inzwischen angehängte Generatorwagen hatte keinen Diesel mehr. Warum sie nicht rechtzeitig daran gedacht haben aufzutanken oder die Klimaanlage in der Nacht, als es etwas Kühler war, abgeschaltet haben, auf diese Frage konnte uns übrigens keiner eine Antwort geben.

In der Nacht oder wann immer jemand schlafen will, werden die Sitze in den Wagen in dreistöckige Pritschen umgebaut. Das ist eigentlich recht komfortabel, und wir habe auch recht gut geschlafen. Wenn wir nicht gerade vor uns hingedöst haben, haben wir die draussen vorbeiziehende Landschaft beobachtet. Bei maximal 50 km/h hat man dazu viel Zeit und kann auch die Details wahrnehmen. Zuerst ging es durch die Berge, dann durch die endlos scheinende staubige Wüste, bis irgendwann in der Indus-Ebene die Landschaft immer fruchtbarer und die Felder immer zahlreicher wurden. In Richtung unseres Zielbahnhofes wurden dann auch die Städte und Siedlungen häufiger und grösser.

Der Blick auf das Vorbeiziehende war dabei oft auch traurig und erschreckend. Der Müll, der Dreck, die Schlammpfützen – und dazwischen überall Menschen, Kinder, die im Dreck neben den Tieren sitzen, die Behausungen oft nur Zelte oder zerissene Planen. Einige Flüchtlingscamps, vor allem noch in der Nähe von Quetta, haben wir auch gesehen – direkt an der Bahnlinie, ebenfalls vom Müll umeben. Die afghanischen Flüchtlinge, die hier wohl leben, müssen vor etwas sehr schrecklichem geflohen sein, wenn das hier die bessere Alternative sein soll.

Nun, es war ein Erlebnis – und wir haben es gut nach Lahore geschafft. Aber wir waren froh, als wir wieder unsere eigenen Transportmittel unter uns hatten. Die Zugfahrt hat uns vor allem auch die traurige Seite des Landes deutlich vor Augen geführt, und uns gezeigt, was für ein Luxus es ist, wenn man einfach so auf sein Motorrad steigen und wegfahren kann.